Dienstag, 22. März 2016

Die Schlüsselblume





Als der Frühling wieder einmal zur Erde kam, da hielt es dem lieben Gott nicht länger in seinem weiten Himmel: er schloss sein unendliches Reich sorgsam zu und verwahrte den goldenen Schlüssel in einer Falte seines wallendes Gewandes.
Dann rief er den Wächtern gutgemeinte Worte zu, sie sollten nur recht achtgeben und nicht immer beim wohlwarmen Scheine der Sonne einnicken!
Die meinten "jawohl" und gähnten verhalten .... 
Nach dieser Antwort stellte der Weltenlenker eine Leiter, aus lauter glühenden Sonnenstrahlen gewunden, gerade auf den richtigen Fleck und stieg zur Erde herab,
denn er wollte den Frühling visitieren.

ALles fand er in bester Ordnung vor ...die QUelle erzählte von dem Hirsch, der sich wieder allabendlich an ihrem Wasser labte .... 
Der Busch berichtete von dem Vogelnestchen, welches dieses Jahr besonders ausgebaut, erneuert, erweitert und bevölkert wurde.
Die Brombeere klagte, dass ihre Stacheln nicht mehr so spitz und scharf werden wollen wie in den guten alten Zeiten. Sie tat dies so treuherzig und wohlbegründet, daß der liebe Gott ihr sogleich zu helfen versprach.
Die Tannen dröhnten und sangen im Chor, daß der Schöpfer ob seiner Geschöpfe tief ergriffen war.
AUch der Fuchs ließ sich mit dem ALlvater in ein Zwiegespräch ein und versprach nach dessen eindringlicher Mahnung, fürderhin die Enten und Gänse und Hennen zu schonen, er werde sich mehr und mehr auf Ratten und Mäuse verlegen. ABer dabei zwinkerten seine Äuglein.
Auch ein Hase hüpfte dem lieben Gott über den Weg und hatte keine ANgst. Er schnupperte am dem Weltenlenker herum und erzählte redselig, dieses Jahr besonders werken zu müssen, denn dreizehn Junge habe er im Versteck, alle frisch und sauber und gesund, so lebendig und fidel, so herzig und ........ Der gute Meister Lampe hätte nicht aufgehört, von seinen Kindern zu schwärmen, hätte der liebe Gott nicht ihm behutsam auf das Mäulchen gegriffen und ihm zu verstehen gebenm daß seine Zeit sehr bemessen wäre.
Die Birke dankte ihm für ihre weiße RInde und lispelte mit ihrem flockigen Gefieder.
Niedlich neigten sich die Erlen und Weiden zum Gruße und murmelten mit dem seligen Bächlein, was sie da bewegte.
AUf seiner Wanderung gewahrte der große Gott eine Spinne, die ihr hinterlistigesNetz zwischen zwei unauffälligen Zweigen einer Esche gesponnen hatte. 
Er spähte zur fetten Räuberin,  welche in der Mitte der Falle lauerte. Alsbald verfing sich eine Mücke in dem Seidengestrick und im Nu war sie gekettet und gefesselt. Die Spinne setzte ihre Sauger an und trank den köstlichen Fliegensaft.
Seltsam bewegt verließ der Unendliche das grausame Spiel.

Die Wiese allein erhielt von einem kundigen und findigen Käfer Botschaft, wer in der Gegend wandelte und begann nun eifrig, sich zu schmücken und zu zieren.
Der Käfer erhielt zum Lohn süßen Honig und einen hagelsicheren Unterschlupf: Das war bei den unsicheren Zeiten viel viel wert.
Als nun der liebe Gott zur WIese kam, zeigte der saftige Rasen voller Stolz sein Blütenkleid.
Niedlich lugten die fein geputzten Halme zu den Lichterboten, die ihnen frische Farben gaben: grün wie die Gräser, weiß wie die Windröschen, violett wie die Veilchen und blau wie all die Blumen, die bescheiden sind.
In den Büschen lachte ein Fink. 
Der unsterbliche Gott, der all die gewaltigen Schöpfungenvollbracht hat, war so erstaunt über diese Wiese, daß er seine Arme voll Entzückung ausbreitete und sich zu den Gräsern neigte.
Daran hingen unzählige Tautropfen, welche sich wandelten in kleine Sonnen oder Perlen wie Diamanten und Saphiere.
So kniete der große Gott wohl lange Zeit in stiller Betrachtung....denn als er wieder zum Himmel zurück gekommen war,  war die Sonne schon untergegangen.
Doch - oh Schreck!
Wo war sein Schlüssel verblieben?
An der Silberschnur seines Gewandes hing er nicht mehr.
So rief er die Wächter......
Aber die Kerle schnarchten wie die Bären ....
Endlich schaffte er es, einen von von den Genossen aufzurütteln.
Voller Zorn bestrafte der Weltenrichter die Unaufmerksamen ob ihres Wachvergehens: Sie sollten auf der Stelle zur Erde fahren und die häßlichsten Geschöpfe der Erde ausmachen:
Sie wurden allesamt Tugendprediger.

Der liebe Gott stieg wieder zur Wiese herab und suchte nach seinem Schlüssel, denn in kleinen DIngen hat selbst der große Gott es nicht leicht.
Doch alles Suchen war vergebens ....
Die Wälder, die Täler, die Berge, die Hügel und die Wiesen wußten alle nicht, wo der goldene Schlüssel zum Himmel lag.

Da reckte sich auf der Wiese eine schöne, edelförmige, maßvoll gelbe Blume in die Höhe und bat ihren Schöpfer, er möge sie pflücken und mit ihr das Himmelreich aufschliessen.
Gott dankte gerührt, grub die Pflanze aus der Scholle, schritt mit ihr alle Sprossen der Himmelsleiter  hinauf und öffnete in der Tat mit diesem Schlüssel das riesige Tor.

Den Schlüssel aus Gold indes hütete eifersüchtig eine ELster, 
welche seitdem ein schlechtes Gewissen hatte.

Zwölf Boten brachten die Blume wieder zur Erde, betteten sie behutsam in den Rasen ein und brachten den Segen und blühenden Gedeih der überglücklichen Pflanze mit.
Gott selbst gab ihr den Namen "Himmelsschlüsselchen".

So blieb es bis auf den heutigen Tag.
Und wenn der liebe Gott wieder den Frühling visitieren käme ... und wieder seinen Schlüssel verlieren würde, bräuchte er nicht mehr lange zu suchen...... 
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