Samstag, 28. Januar 2023

Schuldig, weil wir keinen anderen haben 1965

Hier eine SPIEGEL Reportage vom 27.4.1965: 

"Schuldig, weil wir keinen anderen haben"

Zitat aus diesem Artikel, siehe vollständiger Bericht in dem anschliessenden Link.... 

"Dazu die Last, der anerkannte Vorkämpfer wider vermeintliches und tatsächliches Unrecht zu sein: Bis zu 300 Zuschriften im Monat erreichen Neumann. Das »Echo« ist das Instrument seines Kampfes gegen Justizirrtümer.

Weckt ein Fall sein Interesse: »Keine Zeugen, nur keine Zeugen.« Und erst recht: »Kein Motiv.« Neumann interessiert nicht, womit die anderen beginnen. »Stumme Tatsachen« sucht er. »Ich brauche einen Gegenstand, der mir eine Geschichte erzählt.« Läßt sich ein solcher Gegenstand nicht entdecken, dann wartet Neumann. Fall acht, mit dem er sich zur Zeit befaßt, wurde ihm vor neun Jahren bekannt. Erst vor zwei Jahren brachte Neumann ihn auf die erste Seite des »Echo«. Seitdem hat er mehr als 110 Artikel in dieser Sache geschrieben. Neumann hat Geduld, aber läuft es, dann läuft's.

Auf der Suche nach dem Gegenstand geht Neumann Versuchungen aus dem Weg, die anderen genügen würden, um zum Generalangriff zu blasen. In einem seiner Fälle hatten die Geschworenen ihr »schuldig« gesprochen und als Begründung hinzugefügt: »Weil wir keinen anderen haben.« Für Neumann war das »noch nichts«."

 "

Alle Fälle, in denen Neumann Erfolg hatte, alle, auf die er ein Auge hat (etwa 30), wurden vor 1955 abgeurteilt. Auch insofern rühmt Neumann seine Justiz. Sie habe aus dem gelernt, was er ihr demonstrierte. Trübsinnig betrachtet Neumann als Zeitungsmacher seine Mühe um unschuldig Verurteilte: »Verlegerisch ist das eine Katastrophe.« Die Ausgabe mit dem Bericht über die Freilassung von Auer und Ranneth: »Die am schlechtesten verkaufte Nummer des Jahres 1963.« Neumann hat den Eindruck, die Überführung Schuldiger zahle sich eher aus als die Befreiung Unschuldiger. Für seine Meinung spricht einiges.

Gezielte, erfolgreiche Urteilskritik zwingt dazu, das vage Unbehagen an der Justiz zu definieren. Der Justizirrtum ist also tatsächlich möglich, lehrt beklemmend jedes überführte Fehlurteil. Recht wird »im Namen des Volkes« gesprochen, die unschuldig Verurteilten kommen also nicht nur über die Justiz. Wer ist ein »anständiger Mensch« vor dem Fehlurteil?"

References: 

Schuldig, weil wir keinen anderen haben/Spiegel  


Revue Reportage 1963

 



 



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Mein Vater Prof. Neumann. Bald ist sein 10.Sterbetag.
Viele unschuldig Verurteilte hat er zu ihrem Recht verholfen und wenn ich oft in Krimis sehe, wenn ein alter Fall neu aufgerollt wird und auf die Ermittler geschossen wird, erinnert mich das auch an ihn, denn genau das hat auch er erleben müssen in einem Wald.


 


 

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